Fünf Sekunden lang regungslos dastehen, fünf Sekunden keine Bewegung – so schwierig und doch so wichtig! Für uns Chorsängerinnen und Chorsänger ist dieser Moment nach dem letzten Ton eines Liedes oft die wahre Königsdisziplin. Dabei sollte es doch so einfach sein: Die Hände brav unten lassen, das Gesicht nicht anfassen, nicht die Frisur richten. Aber, ach, wie verführerisch diese winzigen fünf Sekunden doch sind! Dabei wissen wir alle: Wer sich in diesen heiligen fünf Sekunden bewegt, wird von Stefan mit Blicken erdolcht.

Wissenschaftlich betrachtet (Danke, Ruhr-Universität Bochum), fassen wir uns ungefähr 50-mal pro Stunde ins Gesicht. Manche Chorleiter schwören, dass sich dieser Durchschnitt im Chor am Ende eines Liedes auf wundersame Weise vervielfacht. Der letzte Ton verklingt, und was macht der Tenor? Kratzt sich an der Nase. Die Sopranistin? Zupft sich am Ohr. Und die Sängerin im Alt? Rückt verstohlen die Brille zurecht, während eine Mezzo-Sängerin plötzlich das dringende Bedürfnis zu verspüren scheint, ihre Frisur neu zu sortieren.

Warum also diese Regel? Weil das Publikum diese fünf Sekunden braucht, um die Kunst zu verdauen, den Applaus einzuleiten und – tatsächlich auch – um die Dramatik zu spüren. Diese fünf Sekunden sind keine Pause, sondern der krönende Abschluss eines jeden Liedes. Eine Sängerin oder ein Sänger, der sich in diesem Moment ins Gesicht fasst, stiehlt dem Moment die Magie. Das Publikum sieht alles! Statt Gänsehaut gibt es dann den Gedanken: “Juckt ihr da die Nase?”

Also, liebe Mit-Sängerinnen und Mit-Sänger, haltet das aus! Fünf Sekunden, regungslos. Hände weg vom Gesicht! Nur so wird aus einem Lied ein Meisterwerk. 

Es sind nur fünf Sekunden – keine Ewigkeit, auch, wenn es sich manchmal so anfühlt.

Ein Gedanke zu „Die längsten 5 Sekunden“
  1. Das ist so wahr! Habe selber letztens auf einem Video eines anderen Chores gesehen, wie eine an sich grandiose Schlusspose durch die zu schnelle Auflösung zunichte gemacht wurde. Der ganze Effekt war dahin. Gut, dass Stefan uns immer wieder darauf aufmerksam macht und dran bleibt, uns das einzubläuen. Jetzt müssen wir nur noch an unserem Gesichtsausdruck währende des Singens arbeiten und dann sind wir fit für das große Konzert im September!

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